Wer miteinander arbeitet, erschießt sich nicht?
von Elisabeth Göhring
Solche Apps wie „Beat the Boss“ sprechen zwar eine andere Sprache; aber vielleicht liegt das daran, dass viele Bosse nicht MIT Ihren Mitarbeitern arbeiten, sondern über sie und deren Köpfe.
Wenn die Schlipsträger davon erzählen, wie gut sie zu IHREN LEUTEN sind und die Powerpointingenieure von den Pixelschubsern und den verpickelten Jungs mehr erwarten, muss irgendwer ja die richtige Arbeit machen. Da sind natürlich immer WIR.
Können italienische Wissenschaftler und deutsche mit „Sicherheit“ dasselbe meinen? Haben die einen nicht geradezu ein hysterisches Verhältnis dazu während die anderen für das Dolce Vita bisweilen alles stehen und liegen lassen?
Jenseits aller Differenzen werden aber auch viele Gemeinsamkeiten in Arbeitsgemeinschaften kultiviert: Man isst gemeinsam zu Mittag und befreundet sich. Man spricht über fachliche Ergebnisse und das Wetter. - Aber hat so etwas schon jemals einen Krieg verhindert? Schließlich waren die Juden, die in Deutschland im 2. Weltkrieg ermordet wurden, Nachbarn und Freunde, Deutsche unter Deutschen. Ein Vielvölkerstaat mit Bevölkerungsdurchmischung, religionsübergreifenden Nachbarschafts- und Arbeitsverhältnissen ist keine Garantie für Frieden und Stabilität, wie man an dem zerbrechenden Jugoslawien sehen konnte.
Andererseits scheint die Europäische Union ein äußerst gelungenes Projekt zu sein. So lange war in Europa noch nie Frieden.
Pauschale Antworten helfen also leider nicht. Man muss schon sehr genau hinschauen, wer genau mit wem befreundet war und ist - und auf welcher Ebene.
Die offene Struktur des CERN zum Beispiel erwies sich als ausgesprochen tragfähiges Konstrukt und so effektiv, dass sogar ein wissenschaftliches Nebenprodukt – interessanterweise ein Kommunikationsmittel - das dort erfundene HTML, die Welt veränderte.
Lässt sich diese Struktur als Modell auf den Nahen Osten übertragen? SEAME ist ein interessanter Versuch, den man im Auge behalten sollte.
Die Beiträge dieser Ausgabe stellen Kulturen und Methoden vor, sich Bilder von Kulturgruppen zu machen. „Gruppe“ ist in diesem Kontext ein nicht wissenschaftlich spezifizierter Oberbegriff für Menschen, die irgendeine Gemeinsamkeit kultivieren, mit dem Ergebnis, Kultur geschaffen zu haben. Das können in Teile von Szenen oder (Sub-)Kulturen sein.
Im Rahmen der Thematik Unternehmenskultur sind dabei natürlich die Berufsgruppen – Unternehmen-übergreifende Szenen - oder auch Abteilungen gemeint, die eigene (Sub-)Kulturen in den Firmen bilden.
Häufig wechseln Fachleute von einem Unternehmen zu einem anderen, um das zu machen, was sie im letzten auch schon gemacht haben, nur ein bisschen anders. Da können mindestens zwei Kulturen in Konflikt geraten: die Unternehmenskultur, in die sich die neue Fachkraft einpassen muss, und die Berufsgruppenkultur.
Ein ehemaliger Vertriebsleiter für Microsoft-Produkte erzählte mir begeistert von seinem Wechsel zu Apple. Jetzt könne er endlich das verkaufen, für das man hinter geschlossenen Türen auch schon bei Microsoft geschwärmt habe. Glaube ich ihm das? Oder hatte er in der Zeit bei Microsoft nicht jede Menge Argumente gegen den Apple-Hype parat?
Wenn sich Vertriebs-Leute auf Messen treffen, wird gemeinsam gekämpft und geschachert und gefeiert. Der Kern, um den sich die Gemeinschaft einfindet, ist die Leidenschaft am Verkauf. Letztendlich ist es egal, was man verkauft. Vertrieb ist Vertrieb, und das Geile am Job sind erfolgreiche Abschlüsse.?
Jede Community schart sich um einen Kern, der sie zusammenhält. Darüber hinaus gibt es eine gemeinsame Vergangenheit (man trifft sich immer zwei Mal im Leben..), die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft und gewisse Regeln, wie Konflikte gelöst und Nachwuchs integriert wird.
Der analytische Blick auf Jugend-Szenen von Roland Hitzler und Arne Niederbacher (Das Phänomen „Szene“)*, die Szenen als locker verbundene Gesinnungsgemeinschaften anhand von History, Facts und Trends, Strukturen und Relations beschreiben, ist auch anwendbar auf Unternehmenskulturen prägende oder Unternehmen-übergreifende Teilkulturen.
Mit den drei Fragen, die der Soziologe Christian J. Schmid** nutzt, um die Motoradclub-Kultur darzustellen, kann man schnell und präzise arbeiten: Wer organisiert wen wie? (Zur Organisationskultur von Rockerclubs)
Detlev Nothnagel erforschte dagegen sehr kontrastreich die Hochenergiephysiker-Kultur (siehe Hochenergiepysiker) am CERN. Auch dies ist ein exzellentes Beispiel für eine Sichtweise auf Gruppenkultur oder Szene innerhalb eines Unternehmens. Der Kommunikationswissenschaftler setzt mit seiner aufwändigen Forschung auf ethnologische Untersuchungen von Sharon Traweek auf, die nach unbewussten Mustern suchte, welche den „Common Sense“ der Gruppe ausmacht(e). Gerade von einer sehr durch Zahlen und Wissen geprägten Community vermutet man erst mal nicht, dass das Unbewusste prägend ist. Aber auch dort gibt es einen Gesinnungskern, der die Gruppe zusammen hält, Geschichten und Mythen und komplizierte Zugangsbarrieren, bei denen teilweise Stil vor Leistung geht.
*Ronald Hitzler, Arne Niederbacher, Leben in Szenen, Formen juveniler Vergemeinschaftung, 3. Auflage 2010, VS Verlag
**An dieser Stelle sei Herrn Schmid für seine großzügige Mitarbeit und sein außerordentlich freundliches Entgegenkommen zugunsten der Kürze gedankt!
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