Als die Affäre des amerikanischen Präsidenten mit seiner Praktikantin Thema einer Sonderermittlung wurde, waren die Rücktrittsforderungen vor allem durch eines begründet worden: der amerikanische Präsident hatte gelogen. „I did not have sexual relations with that woman, Miss Lewinsky !“ hatte er behauptet und war des Gegenteils überführt worden.
Der Präsident ein meineidiger Lügner? Mittlerweile ist allgemein bekannt, dass andauernd gelogen wird, und es gibt jede Menge Hinweise darauf, dass Beweise, die als Grundlage für Kriege herhalten, von Leuten gefälscht werden, die in der Lewinsky-Affäre den moralischen Zeigefinger erhoben.
Was bleibt als Moral der Geschichte? - „Lass dich nicht erwischen“ oder „ehrlich währt am längsten“?
Dieser Artikel stellt Arten, Funktionen, Ausreden, Folgen von Täuschungen und Auswege aus der Lügenkultur vor, wie sie in der Business- und Berufswelt alltäglich geworden sind.
Arten der Täuschung:
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Emotionen vortäuschen, die man nicht empfindet
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Informationen vorenthalten oder falsche Informationen verteilen
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Unvermögen leugnen und Fehler auf andere schieben
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Faulheit, Müdigkeit oder private Aktivitäten während der Arbeitszeit individuell oder gemeinschaftlich vertuschen
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Ethisch persönlich nicht vertretbare Entscheidungen treffen, umsetzen oder vertuschen (Selbstbetrug)
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Dinge oder Tatsachen wider besseres Wissen mit der Absicht zu täuschen „verkaufen“ oder benennen (kommunizieren)
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„Vranyo“: eine Lüge kollektiv decken und damit eine „Tatsache“ schaffen
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Etwas anderes sagen als man denkt
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Regeln brechen oder umgehen
Funktion der Täuschungen:
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Ohne Täuschung funktioniert die Arbeit nicht. Dies gilt besonders für emotionale Arbeit, z.B. Freundlichkeit beim Verkauf oder im Service, Kommunikation/PR/Werbung - aber auch bei zu großem Leistungsdruck.
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Erwartungen erfüllen: eine Person entspricht fast nie vollständig der Rolle, die sie im Job zu erfüllen hat – Diskrepanz wird durch Täuschung überspielt.
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Macht erwerben und demonstrieren: Regeln zu beugen gilt als Zeichen von Kraft. Ein „Machtwort“ z.B. entscheidet bei Konflikten nicht juristisch.
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Soziale Währung der „Berechenbarkeit“ durch Vortäuschung eben dieser erworben.
Organisationen können Regeln oder Gesetze als Schild gegen ethische Verantwortung missbrauchen.
Das Individuum kann die Regeln und die dahinter verborgenen expliziten und impliziten Forderungen der Organisationen als Schild gegen individuelle Verantwortung missbrauchen.
Ausreden:
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„Geschieht ihnen Recht!“
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„Ist nicht gegen das Gesetz“
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„Ist gut gemeint“
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„Ich kann nichts dafür“ ( z.B. Unwissenheit, Trunkenheit, Schicksal, Anweisung)
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„Regeln nicht gebrochen - nur gedehnt“, „Nicht wirklich gelogen, nur nicht die ganze Wahrheit gesagt“ (Kleinreden)
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„Alle machen das so“ (Verstecken hinter der Kultur)
Folge:
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Verstärkung der Unehrlichkeit durch Erfolg
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Bestrafung der Ehrlichkeit als Dummheit
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Bestätigung und Verstärkung der Logik hinter den Täuschungen
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Notwendigkeit von zeitaufwendigen und demotivierenden Kontrollen
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schlechtes Betriebsklima
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Kultur des „Jeder gegen Jeden“ oder „Oben gegen Unten“
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Verlust der Steuerbarkeit von Organisationen durch Regeln
Tipps:
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Keine Regeln behalten oder einführen, die nicht gehalten werden können. - Das erfordert ein genaues Hinsehen und die bewusste Übernahme von Verantwortung der Führenden.
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Anforderungen nicht höher schrauben als tatsächlich Leistung erbracht werden kann.
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Um Täuschungspraxis aufzudecken, nach der „Mauer des Schweigens“ suchen.
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Kontrollmechanismen überprüfen: nichtmenschliche Kontrollmechanismen laden geradezu zum Betrug ein.
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Verantwortung darf nicht von oben nach unten delegiert werden, wenn gleichzeitig die Erfolge von unten nach oben gereicht werden.
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Autonomie darf kein ethischer Freibrief sein.
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„Vranyo“ nachspüren, Worthülsen hinterfragen!