Die Erderwärmung steht bevor, die Chinesen sind im Kommen und es wird wenige Reiche und viele Arme geben.
Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) im Mai 2014 in Hamburg wurde die nächste Welle der Globalisierung thematisiert und diskutiert.
Das globale Unternehmen als Schiff in unbekannten Gewässern
Peter Sloterdijk (siehe Titelbild), König aller Streitbaren, bezeichnete zum Kongressauftakt im Bauch des Museumsschiffes „Cap San Diego“ die Kunst der Personalführung in Zeiten der Internationalisierung als eine „Navigation im Unmöglichen“. Sie sei vergleichbar mit den Künsten des Kolumbus, der seine Mannschaft durch gefälschte Logbücher bei Laune hielt. Das Ausmaß seiner Kunst und Verwegenheit behielt er für sich, bis der Erfolg offensichtlich war.
Björn Vöhl, Vice President Asia & Emerging Markets bei der Egmont Media Group, verglich die Unternehmen dagegen mit Surfern und die internationalen Märkte mit der Brandung, die an jeder Küste anders ist. Das Personal der Unternehmen brauche große Fähigkeiten und müsse sich den gegebene Umständen von Ort zu Ort anpassen. Wer die Brandung beherrscht und das Risiko einschätzen lernt, wird viel Spaß haben!
Das Unternehmen als hybrider Superorganismus
Prof. Franz Josef Radermacher (siehe Bild links), Mitglied des Club of Rome, beschwor dagegen das Bild eines grausamen Superorganismus aus menschlichen und technischen Komponenten: das Unternehmen als eine Art hybrider Godzilla. Während die technischen Komponenten sich rasant verbesserten, gäbe es aber nur eine beschränkte Anzahl an Spitzenpositionen. Die meisten (auch hochqualifizierten) Menschen in den Unternehmen müssten sich in ständiger harter Konkurrenz zu automatisierten Prozessen beweisen. Sein Tipp an die HRler: Intellektualität nach oben hin sichern, damit sie nach unten nicht abhanden kommt. Diese Strategie verfolgten die sogenannten „Hidden Champions“, deren vernetzte Mitarbeiter eine Art Nervensytem bildeten, durch das Handlungen schnell und gezielt koordiniert werden könnten. Die Loyalität der Mitarbeiter sei deshalb so wichtig, weil ansonsten gerade in Krisenzeiten der (Super-)Organismus zusätzlich geschwächt würde. Und da waren sich nahezu alle Vortragende sicher: Krisenzeiten stehen bevor!
Die globale Zukunft als unabwendbare Katastrophe
Die Erderwärmung wird Katastrophen auslösen. Trotzdem müsste alles getan werden, um diese zu verhindern. Aber dafür könnten Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, nur bedingt verantwortlich gemacht werden. Das müsse die Politik regeln.
Ebenso sahen die Sprecher die Politik in der Verantwortung, für Ausbildungs- und Sozialstandards zu sorgen. – Corporate Responsibility sei zwar ein Muss, könne aber staatliche Regulierungen nicht ersetzen. Leider funktioniere das mit der staatlichen Regulierung nicht schnell genug. Deshalb sollten die Unternehmen ihr Personal auf den Ernstfall vorbereiten.
China kommt.
Auch wenn gemahnt wurde, dass Asiaten nicht gleich Asiaten seien und Chinesen auch nicht gleich Chinesen, prophezeite man die wachsende Rolle Chinas. Kaum ein Vortrag ohne einen Blick auf China. Einer der Vortragenden konnte sogar plausibel machen, was die denn eigentlich wollen, die vielen Chinesen: sie wollen so leben wie wir. Dass das wiederum eine hohe Belastung für die Erde bedeutet, ist klar. Es kann ja nicht jeder jeden Tag Fleisch essen, ein Haus beheizen und mit dem Auto fahren. Wir würden ersticken.
Der Publizist Frank Sieren findet das aber nicht schlimm. Er verglich uns Westler mit dem untergehenden Adel des 19. Jahrhunderts. Es ist halt so, und man kann nichts dagegen machen. Also sollte man seine Kinder Chinesisch lernen lassen.
Die Runde der Personalverantwortlichen war sich im Großen und Ganzen einig, wie man Personal international managt. Man zählte Tools und Vorgehensweisen wie aus einem Handbuch für Personaler auf. Die Talentmanagerin der BASF verkündete die Devise, dass Talent in jedem sei. Aber Talente nach Ludwigshafen zu bekommen sei eine Herausforderung. – Fragt man sich natürlich, ob Ludwigshafen denn leer steht.
Solche für Personalmanagement so wichtige Begriffe wie „Zuhören“ und „Vertrauen“ können so unterschiedlich definiert werden wie „gut“ und „schlecht“, nämlich in jedem kulturellen Kontext komplett anders. Das kam leider nicht zur Sprache, und man hatte auch nicht das Gefühl, dass diese Tatsache wahrgenommen wurde.
Da nach allgemeiner Auffassung die Internationalisierung keine Einbahnbewegung von uns in die Welt ist, sondern nur als Austausch funktioniert, wird es zu Begriffsdekonstruktionen kommen müssen.
Dass dieser Austausch Tatsache ist, wurde einem von den Veranstaltern des Kongresses deutlich und unwiderlegbar vor Augen geführt: vor den Fenstern des Cruise-Centers Altona zogen die Containerschiffe aus aller Herren Länder unbeirrbar vorbei. Ihr Kommen und Gehen bildeten den Basso Continuo vor den Zukunftsgesängen über „Die nächste Welle der Globalisierung“.
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Interview von E. Göhring mit Prof. Dr. Felix Ekardt, Vortragendem auf dem DGFP-Kongress 2014, von der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und dem Ostseeinstitut für Seerecht, Umweltrecht und Infrastrukturrecht der Juristischen Fakultät in Rostock
EG: Gibt es Ihrer Meinung nach noch Chancen, der Klimakatastrophe zu entkommen?
FE: Ja, wenn wir weltweit und zunächst in den reichen Ländern wie Deutschland aus den fossilen Brennstoffen aussteigen. Durch einen auf Primärenergie umgestellten Emissionshandel, der beim Endverbraucher als schrittweise steigender Preis ankommt. Nicht nur bei Strom, sondern auch bei Wärme, Treibstoff und stofflichen Nutzungen wie Kunstdünger und Kunststoffen.
EG: Und gibt es ein Entkommen aus der Economy of Skale?
Wie könnte das Aussehen?
FE: Mit einer planmäßigen Verteuerung der fossilen Brennstoffe fördert man
erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Suffizienz.
EG: Es wird mehr Arme geben. Werden diese sich den technologischen
Fortschritt leisten können? Werden diese zu größeren Umweltparasiten, weil
sie alte Gerätschaften nutzen und Billig-Waren in großen Massen konsumieren
(müssen)?
FE: Bisher haben den bei weitem größten ökologischen Fußabdruck die Reichen -
und generell die Bewohner der Industriestaaten. In den Schwellenländern hat
uns bisher nur eine schmale Oberschicht erfolgreich nachgeeifert.
EG: Es wird zunehmend weniger anspruchsvolle Jobs für Menschen geben. Viele,
auch sehr intelligente und gut ausgebildete Menschen werden in prekäre
Beschäftigungsverhältnisse oder hoffnungslose Armut gedrängt werden. Ist das
BGE aus ihrer Sicht ein Ausweg?
FE: Ich glaube nicht, dass Ihre Diagnose unbedingt zutrifft. Generell sind in
einer Postwachstumsgesellschaft aber Konzepte wie Arbeitszeitverkürzung auch für den sozialen Frieden wichtiger denn je.
EG: Angenommen die Chinesen wollen unseren Standard leben, in Urlaub fliegen,
Auto fahren, täglich Fleisch essen, wird das Klima das verkraften? Was für
Maßnahmen müssen ergriffen werden?
FE: Für die Chinesen gilt diesbezüglich das gleiche wie für uns. Ein weltweiter Emissionshandel mit einer Vollversteigerung der Zertifikate ist erforderlich. Die Einnahmen aus dem System sollten weitgehend den Entwicklungsländern überlassen werden, um die Armutsbekämpfung von vornherein in eine grüne Richtung zu lenken. Windenergie müssen Kohlekraftwerke ersetzen. Das kostet im ersten Moment mehr, ist aber langfristig sogar wirtschaftlich günstiger.
EG: Kommt die Katastrophe, was bedeutet das für die Wirtschaft und
Gesellschaft?
FE: Ein Klimawandel würde Teile der Welt in Nahrungs- und Wasserknappheit sowie
vermehrte Naturkatastrophen hineintreiben. Die als Folge erwartbaren
Bürgerkriege, Staatenkriege, Migrationsbewegungen und massiven ökonomischen
Schäden werden für die gesamte Welt fatal wirken.
Mehr von Felix Ekardt: www.sustainability-justice-climate.eu; www.nachhaltigkeit-gerechtigkeit-klima.de
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Vielen Dank an die DGFP – auch für die Fotos von Bernhard Classen und Philipp von Recklinghausen.
Die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. ist die größte Fachorganisation für Personalmanagement und Personalführung in Deutschland. Mit mehr als 2.500 Mitgliedsunternehmen und Mitgliedern, die insgesamt über 40.000 Personalverantwortliche repräsentieren, fördert die DGFP unternehmensübergreifenden, strukturierten Erfahrungsaustausch und ein einzigartiges Kompetenznetzwerk zwischen Personalverantwortlichen. Der nächste DGFP // congress wird am 23. und 24. Februar 2015 stattfinden.