Der fehlende Artikel

Ich hatte so viel in der Pipeline, dass es eigentlich ein Kinderspiel hätte sein müssen, den Redaktionsplan einzuhalten.
Erstens ging ich der Frage nach dem Subjekt im Schwarm nach. Eine für die Theorie von Corporate Culture sehr wichtige Frage. Aber das Fass, dass ich da aufgemacht hatte, war ein scheinbar bodenloses. Ich wühle mich noch immer durch die umfangreiche Literatur und ringe um das Fundament des nächsten Artikels.
 
Für den Bereich „Corporate Culture“ hatte ich auch schon eine sichere Nummer. Aber dann wurde das Interview ganz kurzfristig verschoben.
Macht nichts, dachte ich, da gibt es ja noch diesen Kongress, zu dem ich eingeladen bin.
Aber im Laufe der Vorträge stellte sich heraus, dass es anscheinend nichts wirklich Relevantes zu diesem Thema zu berichten gab.
 
Das ist alles wahr.
Aber wenn ich ganz ehrlich bin, gibt es einen anderen Grund für den fehlenden Artikel: meine Tochter war krank.
Und zwar sehr.
 
Die eigene Tochter zu erwähnen, ist in Ordnung. In Büros dürfen Kinderbilder stehen, in Vorträgen werden sie mit kleinen Episoden erwähnt, um irgendetwas besonders charmant zu illustrieren. Aber wenn das Kind krank ist, darf vor allem eins nicht passieren: man darf es Frau nicht anmerken.
Das ist unprofessionell. Das nervt.
Ein krankes Kind ist Privatsache.
Eine peinliche Ausrede für das Versagen.
 
Das Parlament hat gegen eine Frauenquote in Aufsichtsräten gestimmt.
In Deutschland gibt es einen Gender-Gap von 20%, und man muss nicht einmal dazusagen zu wessen Ungunsten. Denn es ist klar, dass es die Frauen sind, die für gleiche Arbeit durchschnittlich weniger Lohn bekommen.
Es gibt nach Scheidungen kaum mehr Rechte auf Versorgungsausgleich. Wieder keine Frage, zu wessen Lasten diese Neuerung geht?
Immer mehr Mütter werden in schlecht bezahlte Halbtagsjobs und Leiharbeit gedrängt.
Also Mädels: schluckt die Pille! Denn eines wird man nie einen Mann bei der Einstellung fragen: was er denn tue, wenn sein Kind krank ist.
 
Ich bin meine eigene Chefin. Ich bin Herrin über meine Unternehmenskultur. Und ich stelle diese Frage mir selbst.
Die Antwort heißt: Verantwortung übernehmen.
  
Dieser Diskurs ist noch lange nicht abgeschlossen. Ich bitte deshalb um Ihre Meinung zu dem Thema.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang „Verantwortung“ für Sie?

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