Er kam vom KGB und hat sein Land von eben diesem befreit. Von innen heraus. Transparenz und Freiheit, statt staatliche Gewalt und Maulkorb. Er hat vielleicht nicht Russland selbst befreien können, er schaffte es auch nicht, den Kommunismus zu reformieren, aber er verhalf doch unglaublich vielen Millionen Menschen zu einem besseren Leben.
Es lebe Mr. Gorbatschow!
Als statt Joseph Ackermann der indisch stämmige Investmentbanker Anshu Jain ins Rampenlicht der Deutschen Bank trat, kam gleich die Frage auf: Ist das vielleicht ein Gorbatschow? Einer, der aus dem Zentrum des Raubtierkapitalismus eben diesen reformiert? Nachhaltigkeit sollte die Politik der Deutschen Bank mehr denn je bestimmen. Umwelt-Experten wurden geladen und bekamen publikumswirksam das Wort, als sie den Beginn des Nachhaltigkeitskapitalismus im Namen der Deutschen Bank propagierten.
Die F.A.Z. gerät über Jain aus anderen Gründen ins Schwärmen: „Wie kaum jemand sonst verkörpert Anshu Jain das Ideal des Hochleistungsmanagers: schnell denken, schnell entscheiden, keine Sperenzchen. Ausschweifungen sind nicht vorstellbar, jeder Schlendrian ist ihm ein Graus. Sein Führungsstil ist straff. Anshu Jain wird im Haus als „wahrer Anführer“ umschwärmt. Disziplin, Präzision und Ehrgeiz zeichnen ihn aus„ (F.A.Z., 7.10.2012)
Wow! Das ist ja toll: endlich wieder EIN FÜHRER! Der könnte die Wende herbeiführen…
„Die Nähe zur Natur ist der wahre Luxus“ wird Jains Frau im selben Artikel zitiert.
Und das will was heißen, denn mit Luxus kennt sich die Familie des Multimillionärs aus. Will sie ihren Luxus auch erhalten, gibt’s einen Hoffnungsschimmer mehr für die Natur!
Ich surfte stundenlang auf der Webseite der Deutschen Bank und las viel über das breite Spektrum des sozialen und ökologischen Engagements . „So ganz neu ist das Thema Nachhaltigkeit bei der Deutschen Bank nicht“, stellte ich fest. – „Die sind seit einiger Zeit schon unheimlich engagiert, wie es scheint“.
Allerdings interessierten mich doch die Details. Für mich blieb die Frage im Raum: Hat und hatte das soziale und ökologische Engagement nur einen Alibifunktion, um Reputationsschäden vorzubeugen, oder rückt es jetzt näher zu den Kernwerten der Deutschen Bank.
Die Presserklärung von Jürgen Fitschen und Anshu Jain vom 11.9.2012 wurde mir gemeinsam mit dem Nachhaltigkeitsbericht von der Pressstelle zugesandt.
Fragen wie: „Wie stark ist Ihr Nachhaltigkeitsteam? Hat es Kompetenzen, die ihm erlauben, Prozesse mitzugestalten, Produkte zu bewerten/ zu prüfen?“ waren von dieser „nicht beantwortbar“.
In der Presserklärung fand ich 40 Seiten Charts über die Optimierungen, die die DB bis 2015 vornehmen will. Ja, Nachhaltigkeit und kultureller Wandel haben da auch ihren Platz. – Man will vor allem an den Vergütungssystemen arbeiten. Striktere Führung (Governance), frühere Umsetzung aufsichtsrechtlicher Anforderungen, bessere Berücksichtigung der langfristigen Leistung, starker Fokus auf Verhaltensaspekte und einen verbesserte Transparenz wurden bereits eingeführt und sollen nun noch z. B. durch die Einrichtung eines unabhängigen externen Panels für Vergütung und durch ein breites, partizipatives Programm für kulturellen Wandel erreicht werden. – Ich stutze etwas über die mir widersprüchlich erscheinende Kombination aus „partizipativ“ und „striktere Governance“. Die Schwärmereien der F.A.Z. für Jains Führungsstil kommen mir wieder in den Sinn.
Die Lektüre des Nachhaltigkeitsberichts der Deutschen Bank haut mich allerdings fast um. Ich bin schnell bereit, all mein Geld dieser Bank anzuvertrauen!
Auf Seite 28 lese ich zum Beispiel:
„Mit Besorgnis verfolgt auch die Deutsche Bank, dass immer wieder Menschen unter Nahrungsmittelknappheit leiden müssen. […] In diesem Jahr werden wir keine neuen börsengehandelten Anlageprodukte auf der Basis von Grundnahrungsmitteln
auflegen.[…] Die Deutsche Bank unterstützt die Bemühungen, für alle wichtigen Terminbörsen und -märkte angemessene regulatorische Vorgaben einzuführen. Wir halten dies für eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Terminmärkte für Agrarrohstoffe als Instrumente zur Preisfindung und Absicherung gegen Preisschwankungen gut funktionieren und so einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Wohlfahrt leisten können.“
Das Vorgehen ist stets so: Es wird ein Problem wie „Reputationsrisiken“, „häufig ausgelöst durch Umwelt-, soziale oder Governance-Faktoren“ (S. 24 des Nachhaltigkeitsberichts), festgestellt. Auf diesen wird mit Expertenrat, auf den konkrete Maßnahmen folgen, reagiert. Im besten Falle wird solchen „Reputationsrisiken“ vorgegriffen.
Es werden auch Anfragen, zum Beispiel der Beratergruppe für Energie und Klimawandel (AGECC) des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, aufgenommen. Bei dem Programm „GET FiT“ werden neue Konzepte zur Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien in Entwicklungsregionen entwickelt. „Das Konzept kombiniert Finanzierungsmechanismen des öffentlichen Sektors mit privaten Kapitalfondsstrukturen. […] Es geht weit über die traditionellen Wege zur Förderung privater Investitionen in erneuerbare Energien hinaus und beinhaltet auch technische Unterstützungsmaßnahmen.“
Ich finde das klingt gut und vernünftig. – Ich wünsche mir mehr davon.
Wäre es nicht wunderbar, wenn tatsächlich der Nachhaltigkeitskapitalismus den Raubtierkapitalismus ablösen würde? Um daran glauben zu können, müsste GLASNOST die Hochglanzbroschüren ersetzen! Warum fehlen die entscheidenden Details, so aufgearbeitet, dass man tatsächlich was damit anfangen kann?
Kann ich denn darauf vertrauen, dass Sanktionen bei „Verstößen gegen Verhaltensvorschriften“, die Berücksichtigung „persönlichen Verhaltens“ bei Vergütung und Beförderung, die „kritische Überprüfung“ der Geschäftspraktiken und das bereits erwähnte breite, „partizipativ angelegte Programm“ zum Wandel tatsächlich „Werte und Verhalten in Einklang“ bringen, wie es in der Presserklärung heißt?
(siehe S. 33 Presserklärung 11.9.12)
Für mich mündet das in der Frage:
Kann man ein System von innen mit der für dieses System spezifischen Geisteshaltung verändern?
„Ein bisschen“, heißt meine Antwort. Reförmchen bekommt man so hin, keinen Wandel.
Marketing und Unternehmenskommunikation bemühen sich allerdings erfolgreich, genau das zu machen, von dem ich abrate: Mehr Schein zu produzieren als Sein dahinter steckt. – Das ist kein Marketing aus der Unternehmenskultur. Das ist nicht nachhaltig.
Sind Sie anderer Meinung? – Dann hinterlassen Sie doch bitte einen Kommentar.
Quellen:
https://www.deutsche-bank.de/medien/de/downloads/Charts_deutsch._11.09.pdf
https://www.db.com/csr/csr-special2011/data/downloads/nachhaltigkeit_DE.pdf
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/anshu-jain-der-banker-der-the-deutsche-umbaut-11916134.html