Beratung im Veränderungsprozess: Fallbeispiel von Dr. Susanne Spülbeck, blickwechsel GmbH
Anfang 2006 wurde die deutsche Bank Finanz AG (Name codiert) von der US-amerikanischen Bank Success (Name codiert) übernommen, aus wirtschaftsrechtlichen Gründen behielt die Finanz AG ihren Vorstand und hatte zudem doppelt soviele Mitarbeiter wie die deutsche Niederlassung von Success. Allen Beteiligten war klar, dass beide Banken ausserordentlich unterschiedliche Unternehmenskulturen mitbrachten und dass der Erfolg im Wesentlichen davon abhing, eine gute Zusammenarbeit zu schaffen.
Der Einstieg wurde über einen Workshop mit der erweiterten Geschäftsleitung gewählt, dem eine intensive Explorationsphase vorausging, so dass alle Teilnehmer der Workshops zuvor unter vier Augen die Möglichkeit hatten, uns ihre Perspektive zu schildern und deutlich zu machen, welche Ursachen es für aktuelle Schwierigkeiten aus dieser je individuellen Sicht gab. Im Rahmen eines eintägigen Workshops – das enge Zeitfenster ist durchaus bezeichnend für die gegebenen Arbeitsbedingungen in diesem Feld – entwickelte die Gruppe gemeinsame Ziele und grundlegende Vereinbarungen für die Zusammenarbeit. Eine ganze Reihe bislang unterschwellig verhandelter Regeln und Codes konnten transparent gemacht und damit verhandelbar gemacht werden.
Die Geschäftsleitung war vom Ergebnis so begeistert, dass sie diese Maßnahme auch für die nächste Ebene implementieren wollte und regelmäßige Follow Ups für die eigene Gruppe verabredete. Die nächste Workshop-Reihe basierte nun auf einer vierwöchigen Feldforschung, bei der jeweils zehn Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen einmal bei Finanz AG und einmal bei success jeweils einen Tag lang begleitet wurden. Dabei zeigte sich, dass auf beiden Seiten starke Ängste und vielfache gegenseitige Stereotypisierungen zu erheblichen Reibungsverlusten führten und wesentlich wirksamer waren, als strukturelle Faktoren, die zwar als lästig aber unvermeidlich eingeschätzt wurden. Vor diesem Hintergrund stellte sich uns die Frage, wie wir die Ergebnisse der Forschung den Beforschten so zu Verfügung stellen, dass sie den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen konnten.
Wir entschieden uns, auf eine etwas unkonventionelle Form der Kommunikation sozialwissenschaftlicher Forschungsergebnisse zurückzugreifen und entwickelten zusammen mit der Organisationsethnologin und einem Theaterteam ein Theaterstück, das vor allem in kabarettistischer Form genau die Aspekte der unterschiedlichen Unternehmenskulturen thematisierte, die im Arbeitsalltag große Probleme miteinander verursachten.
Die „Rückgabe“ der Ergebnisse an die Beforschten in dieser nicht-wissenschaftlichen Form ermöglichte es, die Wirksamkeit der gegenseitigen Stereotypisierung in einer Form zu zeigen, die den Beforschten zugleich ein Bewältigungsinstrument lieferte: den Witz.
In der Folge zeigte sich, dass zahlreiche Sketche Eingang in den Arbeitsalltag gefunden hatten und nicht selten genutzt werden konnten, um in schwierigen Situationen für Entlastung zu sorgen.
Darüber hinaus wurden die Ergebnisse in der Mitarbeiterzeitschrift, in den darauffolgenden Workshops und in verschiedenen anderen Kommunikationsmedien zur Verfügung gestellt.
Im nächsten Schritt wurden auf der Basis der Ergebnisse der Studie Workshops konzipiert, die darauf angelegt waren, dass die Mitarbeiter eine gemeinsame Zukunftsvision entwickelten und die dazu notwendigen Veränderungsmaßnahmen vereinbarten. Diese sehr konkret umsetzbaren Vereinbarungen wurden mit den Vorgesetzten besprochen und gemeinsam verbindlich verabschiedet.
Damit waren die Impulse der Mitarbeiter in zweifacher Weise Grundlage des kulturellen Integrationsprozesses, einmal auf der Basis der organisationsethnologischen Forschung und zum anderen als Resultat der auf dieser Basis entwickelten Workshops. Diese Verzahnung von organisationsethnologischen Forschungsergebnissen und Workshop-Konzeption bot die Möglichkeit, die Mitarbeiter nicht nur in die notwendigen Veränderungsprozesse einzubinden, sondern die Prozesse gemeinsam mit den Mitarbeitern zu gestalten.
Einige Monate später wurde routinemäßig ein repräsentativer Survey durchgeführt: die Ergebnisse zeigten, dass die Teams, die die Workshops intensiv genutzt hatten, signifikant bessere Zufriedenheitswerte aufwiesen als die Teams, die bislang noch nicht teilgenommen hatten. Auf dieser Basis gelang es, dass im ersten Jahr nach der Fusionierung nicht nur keine Umsatzeinbußen zu verzeichnen waren, sondern es konnten in einem ansonsten eher krisengeschüttelten Markt beachtliche Wachstumserfolge erzielt werden.
Die Autorin Susanne Spülbeck ist promovierte Ethnologin und Geschäftsführerin der Unternehmensberatung blickwechsel GmbH, Institut für Organisationsethnologie, Training und Beratung. Sie untersucht mit ihrem Team Unternehmenskultur und unterstützt auf dieser Basis international Führungskräfte und Unternehmen bei der Umsetzung von Veränderungsprozessen. Sie ist Dozentin für Organisationsethnologie an der Universität St. Gallen und der Ludwig-Maximilians-Universität München.
www.blickwechsel.net, http://www.ethnologie.uni-muenchen.de